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15.04.2025

Generalanwalt Dean Spielmann hat seine Schlussanträge in der Rechtssache Mercedes-Benz Bank und Volkswagen Bank vorgelegt zu den Folgen der Ausübung des Widerrufsrechts im Rahmen eines Kreditvertrags, der mit einem Kaufvertrag verbunden ist.

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Das Landgericht Ravensburg hat zwei Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden zwischen zwei Verbrauchern und der Mercedes-Benz Bank bzw. der Volkswagen Bank über die Ausübung des Widerrufsrechts im Rahmen von Kreditverträgen, die mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbunden sind. In diesem Rahmen hat das Landgericht dem EuGH eine Reihe von Fragen vorgelegt, u.a. zu den Folgen, wenn der Verbraucher von seinem Recht Gebrauch macht, den verbundenen Kreditvertrag zu widerrufen.

Generalanwalt: Kein Freifahrtschein beim Kreditwiderruf

Auf Wunsch des EuGH konzentriert Generalanwalt Dean Spielmann seine Schlussanträge ausschließlich auf zwei der vorgelegten Fragen. Er schlägt in seinen Schlussanträgen vom 10.04.2025 (C-143/23) vor, dem Landgericht Ravensburg wie folgt zu antworten:

1. Art. 14 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass er für Verbraucherkreditverträge, die mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbunden sind, nicht vollharmonisierend ist.

2. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, ist dahin auszulegen, dass es nicht dem entgegensteht, dass der Kreditnehmer nach Widerruf eines Verbraucherkreditvertrags, der mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbunden ist, für den Zeitraum zwischen der Auszahlung des Darlehens an den Verkäufer des finanzierten Fahrzeugs und dem Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs an den Kreditgeber (oder den Verkäufer) den vertraglich vereinbarten Sollzins zu zahlen hat.

EU-Recht gibt Kreditgebern recht

Im Rahmen der Antwort 1 vertritt der Generalanwalt die Ansicht, dass die Richtlinie 2008/48 über Verbraucherkreditverträge zwar eine vollständige Harmonisierung im Bereich der Kreditverträge bewirke, mit ihrem Art. 14 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 aber nicht alle Folgen des Widerrufs abschließend regele, wenn der Kredit mit einem Fahrzeugkauf verbunden ist. Die Mitgliedstaaten seien daher befugt, unter Beachtung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz die Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts bei diesen verbundenen Kreditverträgen zu regeln.

Zu Antwort 2 führt der Generalanwalt u.a. aus, dass nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie ein Verbraucher, der einen „klassischen Kredit“ widerruft, verpflichtet bleibe, neben der Rückzahlung des Darlehens die Sollzinsen in Höhe des vereinbarten Zinssatzes für den Zeitraum zwischen der Bereitstellung der Mittel und ihrer vollständigen Rückzahlung zu zahlen.

Entsprechend hält er es für folgerichtig, die Verpflichtung des Verbrauchers zur Zahlung der Zinsen für den Zeitraum von der tatsächlichen Bereitstellung der Mittel bis zur Rückgabe der Ware oder bis zur Tilgung des Kredits vorzusehen, wenn der Kredit zur Finanzierung des Kaufs einer Ware bestimmt ist und der Verbraucher widerruft.

Die Verpflichtung des Kreditnehmers, die für die tatsächliche Dauer der Zurverfügungstellung der Mittel berechneten Sollzinsen zu zahlen, stelle einen notwendigen Korrekturmechanismus dar. Sie gestatte es, das vertragliche Gleichgewicht wiederherzustellen, indem verhindert werde, dass eine Partei durch die Ausübung ihres Widerrufsrechts einen ungerechtfertigten Gewinn zulasten der anderen Partei erzielt, und gewährleiste auf diese Weise eine gerechte Verteilung der Kosten und Gewinne, die sich aus der – auch nur teilweisen und vorübergehenden – Erfüllung des Kreditvertrags ergeben.

Da die Richtlinie 2008/48 die Folgen des Widerrufs eines Kredits, der mit dem Kauf einer Ware verbunden ist, nicht abschließend regele, könnten die nationalen Rechtsvorschriften verlangen, dass der Kreditnehmer Sollzinsen für den Zeitraum der Verwendung der Darlehensmittel zahlt.

Die Mitgliedstaaten behielten nach Art. 23 der Richtlinie 2008/48 zudem die Möglichkeit, Sanktionen gegen den Kreditgeber für Verstöße gegen die in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Informationspflichten festzulegen, sofern diese Sanktionen nicht zu einer unverhältnismäßigen Störung der gegenseitigen Verpflichtungen führen und das Hauptziel der Richtlinie, nämlich den wirksamen Schutz des Verbrauchers, nicht gefährden.

Fazit

Die Schlussanträge des Generalanwalts stärken die Rechtsposition der Kreditgeber bei verbundenen Autokreditverträgen. Ein Widerruf entbindet Verbraucher nicht automatisch von allen Kosten. Die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten – doch schon jetzt ist klar: Das Widerrufsrecht ist kein Freifahrtschein.


EuGH vom 10.04.2025 / RES JURA Redaktionsbüro (vcd)

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