Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seinem Urteil vom 30.10.2025 (C-143/23) mit der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie befasst. Im Urteil geht es um die Rechte von Verbrauchern, die ein Auto über einen Kredit finanziert und später diesen Kreditvertrag widerrufen haben. Unzureichende Informationen über den Verzugszinssatz können demnach das Widerrufsrecht auf unbestimmte Zeit offenhalten und hohe Wertersatzforderungen der Banken sind unter bestimmten Umständen unzulässig.
Widerrufsfrist beginnt nur bei vollständiger Information
Der EuGH stellte klar, dass die 14-tägige Widerrufsfrist für einen Verbraucherkreditvertrag nicht zu laufen beginnt, wenn der Vertrag keine konkrete Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Verzugszinssatzes in Prozent enthält. Solange diese Information nicht ordnungsgemäß nachgereicht wird, kann der Verbraucher den Vertrag weiterhin widerrufen.
Zudem darf sich ein Kreditinstitut nicht auf Rechtsmissbrauch berufen, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, obwohl zwischenzeitlich Leistungen aus dem Vertrag bezogen wurden. Voraussetzung ist, dass der Vertrag den Verzugszinssatz nicht korrekt ausgewiesen hat. In diesem Fall kann dem Verbraucher kein missbräuchliches Verhalten unterstellt werden.
Wertersatz darf das Widerrufsrecht nicht entwerten
Kritisch äußerte sich der EuGH zu einer in Deutschland üblichen Methode der Wertermittlung bei Rückgabe des Fahrzeugs nach Widerruf. Wird der Wertersatz anhand der Differenz zwischen Händlerverkaufspreis und -einkaufspreis berechnet, enthält dieser oft Posten wie Gewinnmargen, Wiedervermarktungskosten und Umsatzsteuer – auch dann, wenn das Auto nie genutzt wurde. Solche Berechnungen können den Verbraucher übermäßig belasten und das Widerrufsrecht faktisch aushöhlen. Der EuGH betont, dass nur der tatsächliche Wertverlust durch Nutzung und Zustand des Fahrzeugs zum Rückgabezeitpunkt maßgeblich sein darf.
Keine vollständige Harmonisierung der Folgen
Die EU-Richtlinie gibt keine abschließenden Vorgaben für die Folgen des Widerrufs eines verbundenen Kreditvertrags. Die Mitgliedstaaten haben hier Spielraum, müssen jedoch sicherstellen, dass der Widerruf nicht durch unverhältnismäßige finanzielle Belastungen entwertet wird.
Allerdings erlaubt die Richtlinie nationale Regelungen, wonach der Verbraucher nach einem wirksamen Widerruf für den Zeitraum zwischen Kreditauszahlung und Fahrzeugrückgabe weiterhin den vertraglich vereinbarten Sollzins zahlen muss. Diese Regelung bleibt unionsrechtlich zulässig.
Die Entscheidung könnte zahlreiche laufende Verfahren in Deutschland beeinflussen, vor allem mit Blick auf die sogenannten „Widerrufs-Joker“.

