Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 08.09.2025 (2 BvR 1760/22) eine Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben, das eine Berufung im Diesel-Abgasskandal im Beschlusswege zurückgewiesen hatte. Die Karlsruher Richter sahen darin eine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz.
Zum Hintergrund des Falls
Der Beschwerdeführer hatte gegen einen Automobilhersteller auf Schadensersatz geklagt, weil sein Dieselfahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sei. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, legte er Berufung ein. Noch bevor der Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall verhandeln konnte, wies das Oberlandesgericht die Berufung im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurück.
Das Oberlandesgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Rechtslage eindeutig sei und die europarechtlichen Zulassungsregelungen keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellten. Die Schlussanträge eines parallel laufenden Verfahrens vor dem EuGH und eine Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, die auf eine mögliche Neubewertung dieser Frage hinwiesen, wurden dabei nicht als entscheidungserheblich gewürdigt.
Verfassungsrechtliche Bewertung
Das BVerfG sah hierin eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung, sei sachlich nicht zu rechtfertigen gewesen.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung bestand laut BVerfG erheblicher Klärungsbedarf, ob die europarechtlichen Zulassungsvorschriften Individualschutz vermitteln und somit als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind. Spätestens mit der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, die auf die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage im Lichte einer bevorstehenden EuGH-Entscheidung hinwies, hätten Zweifel an der Eindeutigkeit der Rechtslage bestanden.
Konsequenzen der Entscheidung
Der Beschluss betont, dass Gerichte im Berufungsverfahren bei nicht eindeutig geklärter Rechtslage keine Abkürzungen nehmen dürfen. Damit stärkt Karlsruhe die Rechte von Klägern in verbraucherrechtlich relevanten Massenschadensverfahren wie dem Dieselskandal.

