Die Bundesregierung plant mit ihrem Gesetzentwurf, Leitentscheidungsverfahren beim Bundesgerichtshof einzuführen. „Wird in einem Massenverfahren Revision eingelegt, so kann der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Verfahren zu einem Leitentscheidungsverfahren bestimmen“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Derartige Massenverfahren stellten eine große Belastung für die betroffenen Zivilgerichte dar, schreibt die Regierung.
Es handle sich dabei um massenhafte Einzelklagen zur gerichtlichen Geltendmachung gleichgelagerter (Verbraucher-)Ansprüche (zum Beispiel im Diesel-Skandal oder wegen unzulässiger Klauseln in Fitnessstudio-, Versicherungs- oder Bankverträgen). Meist stellten sich in diesen Verfahren die gleichen entscheidungserheblichen Rechtsfragen. Sind diese Rechtsfragen durch den BGH höchstrichterlich geklärt, könnten gleichlautende Verfahren, die bei den Instanzgerichten noch anhängig sind, anhand dieser Leitentscheidung ohne Weiteres zügig entschieden werden.
Baustein für effiziente Erledigung von Massenverfahren
Dem Entwurf zufolge können aber bisher – etwa durch Rücknahme von Revisionen aus prozesstaktischen Gründen oder aufgrund eines Vergleichs – höchstrichterliche Entscheidungen verhindert werden. Ohne eine höchstrichterliche Klärung blieben die Instanzgerichte jedoch immer wieder mit neuen Verfahren zu gleichgelagerten Sachverhalten belastet.
Als ein Baustein für eine effiziente Erledigung von Massenverfahren sei es daher erforderlich, „dass auch in Fällen der Revisionsrücknahme oder der sonstigen Erledigung der Revision zentrale Rechtsfragen zügig durch den Bundesgerichtshof geklärt werden können“.
Verfahren mit vielen offenen Rechtsfragen
Künftig soll also der BGH aus den bei ihm anhängigen Revisionen ein geeignetes Verfahren auswählen können, das ein möglichst breites Spektrum an offenen Rechtsfragen bietet, die er, wie bisher, selbst identifizieren kann. Die Instanzgerichte könnten bei ihnen anhängige Parallelverfahren mit Zustimmung der Parteien währenddessen aussetzen. Der BGH entscheide über die Rechtsfragen in Form der Leitentscheidung auch dann, „wenn die Parteien die Revision zurücknehmen oder sich das Revisionsverfahren auf andere Weise erledigt“.
Die Leitentscheidung entfalte dabei keinerlei formale Bindungswirkung und habe auch keine Auswirkungen auf das der Leitentscheidung zugrunde liegende konkrete Revisionsverfahren. Es diene jedoch den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur und Orientierung dafür, wie die Entscheidung der Rechtsfragen gelautet hätte. Dies sorge für Rechtssicherheit bei Betroffenen und Rechtsanwendern und trage zugleich dazu bei, die Gerichte von weiteren Klagen zu entlasten, schreibt die Bundesregierung.