• Home
  • /
  • Meldungen
  • /
  • Berufsrecht: Mandatsausübung vs. wirtschaftliches Interesse

12.09.2022

Schließt ein Rechtsanwalt einen Vertrag im Rahmen der Mandatsausübung ab und verknüpft dabei seine anwaltliche Tätigkeit mit eigenem wirtschaftlichen Interesse oder den Interessen Dritter, so ist dieser Vertrag unter Verstoß gegen das anwaltliche Berufsrecht und die guten Sitten nichtig. Das hat das Landgericht Berlin in einem jüngst veröffentlichten Urteil entschieden.

Beitrag mit Bild

©Thomas Reimer/fotolia.com

Anwält*innen dürfen sich bei der Mandatsausübung nicht vom eigenen wirtschaftlichen Interesse leiten lassen, entschied das Landgericht Berlin am 08.08.2022 (83 O 9/22).

Der Streitfall

Im Jahr 1992 erteilte die zwischenzeitlich verstorbene Klägerin dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, eine Anwaltsvollmacht zur Prozessführung und Verwaltung eines Wohn- und Geschäftshauses. Der Anwalt schloss bzw. kündigte Mietverträge im Namen der Klägerin; u.a. schloss er zwei Gewerberaummietverträge mit seiner Ehefrau und verlängerte den Gewerberaummietvertrag mit einem Ehepaar. Für die Verlängerung und das Absehen von Mieterhöhungen soll der Anwalt ein Schmiergeld in Höhe von 14.500 Euro erhalten haben.

Die Klägerin hielt die Mietverträge mit der Ehefrau für sittenwidrig und beantragte beim LG die Feststellung, dass diese nichtig seien und dass dem Beklagten keinerlei Honorar für deren Abschluss zustehe. Zudem begehrte sie die Auskehrung des erhaltenen Schmiergelds. Nach dem Tod der Klägerin im Jahr 2020 nahm ihr Sohn das Verfahren auf.

Wirtschaftliche Interessen beeinflussten Mandatsausübung

Das LG stellte fest, dass die Mietverträge zwischen der Klägerin und der Ehefrau sittenwidrig und damit nichtig seien. Der Beklagte habe in fundamentaler Weise die anwaltliche Unabhängigkeit verletzt, indem er einen Mietvertrag mit seiner Ehefrau im Namen der Klägerin abschloss und sich damit bei der Mandatsausübung von eigenen wirtschaftlichen Interessen leiten ließ. Dadurch sieht das Gericht die Interessen der Rechtspflege und das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums in die Kompetenz und Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft in einer Weise gefährdet, dass sich daraus das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit ergibt.

Schadenersatz bejaht

Das LG nahm an, dass der Rechtsanwalt und die Klägerin einen Anwaltsvertrag geschlossen hatten. Ein Anwaltsvertrag mit der Pflicht, dem Auftraggeber rechtlichen Beistand zu leisten (§ 3 BRAO), liege selbst dann vor, wenn der Vertrag anwaltsfremde Pflichten – wie hier die Verwaltung des Mietobjekts – enthält. Anders sei es, wenn die Rechtsbetreuung völlig in den Hintergrund tritt. Die zahlreichen Anwaltsvollmachten, die die verstorbene Klägerin erteilt hatte, sprächen eindeutig für das Vorliegen eines Anwaltsvertrags. Ein Vergütungsanspruch für den sittenwidrigen Abschluss der Mietverträge steht dem Beklagten hierfür nicht zu.

Das LG sah als erwiesen an, dass der Rechtsanwalt Schmiergelder entgegengenommen hatte, damit er den Mietvertrag des Ehepaars ohne Mieterhöhung verlängerte. Es ging ferner davon aus, dass der verstorbenen Klägerin dadurch ein Schaden entstanden war, weil sie ansonsten höhere Miete vereinnahmt hätte. Die als Schmiergeld vereinnahmten Zahlungen seien daher als Schadensersatz an den Kläger auszukehren.


BRAK vom 07.09.2022 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

Weitere Meldungen


Meldung

© diyanadimitrova/fotolia.com

30.04.2024

Weniger Bürokratie beim Thema Solarstrom: Der Bundesrat hat dem Solarpaket I zugestimmt. Solaranlagen können künftig leichter installiert und betrieben werden als bisher.

weiterlesen
Bundesrat billigt Solarpaket I

Meldung

© Jamrooferpix / fotolia.com

29.04.2024

Durch das Klimaschutzgesetz sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um das Ziel, 65 % weniger CO2 bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045 erreichen zu können.

weiterlesen
Bundestag beschließt Reform des Klimaschutzgesetzes

Meldung

©Eisenhans/fotolia.com

25.04.2024

Die neuen EU-Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche enthalten verschärfte Überwachungsbestimmungen sowie eine EU-weite Obergrenze von 10.000 € für Barzahlungen.

weiterlesen
EU-Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche verabschiedet

Meldung, Wirtschaftsrecht

©liudmilachernetska/123rf.com

23.04.2024

Die abhängig Beschäftigten haben im vergangenen Jahr insgesamt rund 55 Milliarden Stunden gearbeitet – 1991 waren es noch 52 Milliarden, zeigt die DIW-Studie.

weiterlesen
In Deutschland wird so viel gearbeitet wie noch nie

Haben wir Ihr Interesse für WIRTSCHAFT und WETTBEWERB geweckt?

Sichern Sie sich das WuW Gratis Paket: 2 Hefte + Datenbank